Ein Portrait über die Rollercoaster-Aktivitäten der Cordes Holzbau GmbH & Co. KG und Wissenswertes über die Entstehungsgeschichte von Colossos
Das 1905 gegründete Unternehmen mit Sitz im niedersächsischen Rotenburg/Wümme beschäftigt sich seit jeher mit dem Holzbau. Der Fokus liegt besonders auf der Planung und Realisierung von Holzbauten, die einer Statik bedürfen wie beispielsweise Wohn- und Geschäftshäuser, Dachkonstruktionen, Strommasten und Hausboote. Auch gehört der Bau von Holzkonstruktionen für Rodelbahnen inzwischen zum Portfolio. Gegründet als Tischlerei, vergrößerten in den Anfangsjahren noch ein Fahrradgeschäft und eine Versicherungsagentur das Tätigkeitsfeld des Unternehmens. Der Fokus lag jedoch stets auf der Holzver- und Weiterbearbeitung, sodass zu Beginn der 1930er Jahren die Zimmerei und das Sägewerk ausgebaut wurden. 1971 übernahm der heutige Geschäftsführer Heinrich Cordes in dritter Generation die Leitung. Aktuell beschäftigt das Unternehmen ca. 60 Mitarbeiter, darunter zwölf ausgebildete Holzbauingenieure. Blättert man durch die Informationsbroschüre der Firma, stößt man neben den oben aufgeführten Produkten zwangsläufig auch auf einige spektakuläre Holzachterbahnen, für die Cordes Holzbau die Fertigung übernommen hat. Wie es dazu kam soll im Folgenden beleuchtet werden.
Das Material Holz ist vielseitig einsetzbar: Egal ob für Strommasten (hier: Testmast auf dem Firmengelände), in Form gebracht als Dachkonstruktion einer Sportwagenmanufaktur oder ganz konventionell als Dachstuhl einer Turnhalle.
Als der damalige Heide-Park-Geschäftsführer und Inhaber Hans-Jürgen Tiemann Ende der 1990er Jahre die Attraktivität seines Parks für Besucher und Investoren erhöhen wollte, stand nach einigen Überlegungen eine Holzachterbahn im Fokus, die mit Ihren Ausmaßen einige Weltrekorde mindestens einstellen sollte. Auf der Suche nach einem geeigneten Hersteller stand schnell fest, dass ein US-Import nicht in Frage kam. Zu groß waren die Vorbehalte im Hinblick auf Haltbarkeit und das damit verbundene Fahrverhalten. Auch erschienen die angefragten Preise für eine Holzbahn dieser Größenordnung als zu hoch. Bestärkt in dem Entschluss, primär mit deutschen Unternehmen zusammenarbeiten zu wollen, fragte Tiemann Firmen an, die in der Vergangenheit bereits Holzbauten im Heide-Park realisierten. Doch keines der angefragten Unternehmen traute sich einen Bau dieser Größenordnung zu.
Baufeld von Colossos im August 2000
Über das damalige Baustoffhandelsunternehmen Rathsmann GmbH & Co. KG kam der Kontakt zwischen Herrn Tiemann und Cordes Holzbau im Jahr 1999 zu Stande. Mit noch sehr wenig konkreten Plänen wurde die Firma Cordes angefragt, ein Angebot für die Fertigung und den Aufbau der Holzstruktur abzugeben. Als Eckpunkte wurden lediglich eine Höhe ca. 50-60 Metern und eine Streckenlänge von ca. 1.500 Metern genannt. Zusätzlich gab es erste Skizzen der zuvor angefragten Holzachterbahnbauer aus den USA. Hier waren grob gerechnet ca. 2.500 m³ Holz veranschlagt worden. Da man bis dato jedoch über keinerlei Erfahrung aus Projekten ähnlicher Größenordnung verfügte, wurde das Angebot für den Holzbau von Colossos, so der spätere Name der Bahn, ganz pragmatisch kalkuliert. Jeder Ingenieur hat eine Kosten- und Aufwandsrechnung für sich erstellt. Zentral war dabei die Frage, wie viele Mitarbeiter wohl wie lange für die Fertigung und Montage nötig wären. Angeboten wurde dann das arithmetische Mittel aus diesen Schätzungen zuzüglich 50% Sicherheitsaufschlag. So passte das Angebot auf gerade mal eine DIN A4-Seite. Zwar sehr unkonventionell, dennoch erteilte der Park den Zuschlag - es wurde ein 1,5 Seiten langer Vertrag als Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit geschlossen. Das Geschäftsfeld „Sonderkonstruktionen“ der Cordes Holzbau GmbH & Co. KG ist seitdem mit dem Bau von Holzachterbahnen um eine Sparte reicher.
Erste Fundamente sind gesetzt und die ersten vorgefertigten Holzteile warten darauf verbaut zu werden - ca. August bis September 2000
Gefertigt werden die Bahnen bei der Firma Cordes ausschließlich aus besonders formstabilem Kiefernholz. Nach dem CNC-Zuschnitt erfolgt die Kesseldruckimprägnierung mit anschließender einwöchiger Trocknungszeit, sodass die fertigen Bauteile keine unbehandelten Oberflächen dem Witterungseinfluss ungeschützt aussetzen. Waagerecht liegendes Holz wird schräg angehobelt, damit ein leichtes Gefälle für den Ablauf von Regenwasser sorgen kann. Auch wird kein Holz direkt in das Erdreich oder in Beton eingebaut. Diese Kombination aus chemischem und konstruktivem Holzschutz ergibt eine hohe Haltbarkeit. Der Zuschnitt und die nachträgliche Anpassung auf der Baustelle entfällt völlig. Die Bahnen können ähnlich wie eine Stahlachterbahn vor- und endmontiert werden, weshalb bei Abschluss eines Wartungsvertrages die Gewährleistung auf zehn Jahre verlängert werden kann. Sollte dennoch durch beispielsweise Verschleiß ein Austausch nötig sein, kann jedes Teil eindeutig anhand einer Teilenummer passgenau nachgefertigt werden. Darüber hinaus werden komplette Wartungsverträge mit flexibler Laufzeit angeboten.
Doch sollten diese Innovationen nicht die einzige Besonderheit von Colossos werden. Die Statik und Dynamik sowie das Layout der Bahn wurden von der renommierten Münchener Ingenieurbüro Stengel GmbH erstellt. Am Rande sei erwähnt, dass bei Holzachterbahnen üblicherweise mit einem Sicherheitsfaktor von drei gearbeitet. Über Herrn Stengel wurde zudem der Kontakt zu der Merk Holzbau GmbH hergestellt, die die Schiene für Colossos und drei spätere Holzachterbahnen zulieferte. Als Neuerung wurde auf das klassische Zusammennageln mehrerer in Form gepresster und gezogener Holzlagen verzichtet. Stattdessen wurde aus hochfesten Blöcken Funierschichtholz (sogenanntes Kerto-Holz) die Schiene per CAD-Modell aus dem Vollen gefräst. Dieses Verfahren erlaubt eine millimetergenaue Fertigung jedes einzelnen Schienenstücks. In Verbindung mit der passgenauen Fertigung des Tragwerks ergibt sich zudem ein hoher Standardisierungsgrad der Konstruktion für immer wieder kehrende Einbauten (sogenannte Joint Details) wie beispielsweise Stoßverbindungen oder die Befestigung der Schiene im Bereich der Schwellen (sogenannte Ledger), die jeweils statisch nachgewiesen sind. Weitere Vorteile liegen in schneller Montage auf der Baustelle und vergleichsweise hoher Festigkeit bei langer Lebensdauer. Colossos ist die erste Bahn, auf der dieses von Herrn Stengel patentierte Konzept Verwendung fand. Die Antriebstechnik und Fahrzeuge wurden von der etablierten Schweizerischen Intamin AG zugeliefert. Die durch Intamin beauftragte Firma Merk wurde übrigens in den 1990er Jahren bereits für die Erstellung von diversen Holzachterbahnen angefragt, lehnte dies jedoch aus Kapazitätsgründen ab.
Von Links nach Rechts: Schienen warten auf der Baustelle darauf verbaut zu werden, an der Holzstruktur angebrachte Befestigungen (sogenannte Ledger) und eine fertig verbaut Schiene am Frist Drop der Bahn.
Wurde die Firma Cordes vom Heide-Park und auch später vom schwedischen Freizeitpark Liseberg für die Fertigung und Montage der Holzachterbahn Balder (eröffnet im Jahr 2003) noch direkt beauftragt, erfolgte die Auftragsvergabe für die 2006 eröffnete Holzachterbahn El Toro im US-amerikanischen Six Flags Great Adventure durch Intamin. Auch konnten bei diesem Projekt Cordes-Mitarbeiter für die Montage der Anlage nicht beauftragt werden, da die Gesetzgebung des Bundesstaats New Jersey dieses untersagt. Beim nächsten Holzachterbahnprojekt für das koreanische Everland fungierte die Intamin AG wieder als Generalunternehmen und hat in dieser Rolle auch wieder bei Cordes Holzbau angefragt. Diesmal kam jedoch keine Zusammenarbeit zustande. So hat das Schweizer Holzbauunternehmen Blumer-Lehmann AG den Zuschlag für die Zulieferung der Holzstruktur von T Express erhalten, die mit ihrer Eröffnung im Jahre 2008 die derzeit jüngste Holzbahn mit "Kerto-Schiene" ist.
Auch Cordes-Coaster: Balder im schwedischen Freizeitpark Liseberg (oben) und El Toro in Six Flags Great Adventure, USA (unten).
Seitdem gehen die Firmen Cordes und Intamin getrennte Wege. Mit Gerstlauer Amusement Rides GmbH hat sich für Cordes Holzbau ein neuer Partner gefunden, der die Fahrzeug- und Antriebstechnik zuliefert und den Vertrieb übernimmt. Bereits in der Vergangenheit hatte Gerstlauer Züge für verschiedene Holzachterbahnen beigesteuert. Gemeinsam arbeitet man weiterhin mit dem Ingenieurbüro Stengel zusammen. Als erstes Projekt dieser Zusammenarbeit entstand die 2008 eröffnete Achterbahn Mammut im baden-württembergischen Freizeitpark Tripsdrill. Die Betreiberfamilie Fischer wünschte sich zur Ergänzung ihres Parkangebots eine Holzachterbahn, die mit regionalem Bezug möglichst von deutschen Unternehmen zugeliefert werden sollte. Erstmalig war die Firma Cordes bei diesem Projekt auch für die Realisierung der Schiene verantwortlich. Um das typisch rustikale Fahrverhalten einer Holzachterbahn zu realisieren, wurde auf die "Kerto-Schiene" verzichtet. Gleichwohl sorgen acht miteinander vernagelte und teils geschraubten Lagen aus jeweils vier Zentimeter starkem Kiefernholz dafür, dass das Erlebnis über die Jahre nicht zur schmerzhaften Rappelfahrt verkommt. Diese Fixierung gemäß DIN-Normen wird noch durch eine zusätzliche Verklebung der Holzlagen deutlich verstärkt, die in der Statik keine Berücksichtigung findet und so die Dauerhaltbarkeit der Konstruktion abermals deutlich erhöht. Zudem wurde in Bereichen mit großer Höhe aus optischen Gründen zusätzliches Schauholz verbaut, die aus statischer Sicht nicht nötig sind, jedoch für ein homogenes Erscheinungsbild sorgen.
Mammut im Freizeitpark Tripsdrill: Hier wurde anstatt der "Kerto-Schiene" eine Weiterentwicklung der herkömmlichen Holzachterbahnschiene verbaut.
Auch wenn die Eröffnung der zuletzt aus „Cordes-Holz“ gebauten Holachterbahn schon ein paar Jahre zurückliegt, hat sich das Unternehmen nicht aus dem Geschäft zurückgezogen. Anfang dieses Jahres wurde Cordes Holzbau beauftragt, im Movie Park Bottrop einen Streckenabschnitt der Holzachterbahn Bandit zu erneuern. Zudem ist man gemeinsam mit dem auf Stahlfahrgeschäfte ausgerichteten Partner Gerstlauer auf dem russischen und chinesischen Markt vertreten und war bis zuletzt bei der Auftragsvergabe für das Holzachterbahnprojekt im niederländischen Freizeitpark De Efteling im Rennen. Man darf gespannt sein, wann und wo die nächste Cordes-Bahn gefahren werden kann.
von Fabian Schulte
Impressionen vom Richtfest am 22. März 2001
Heinrich und Ulf Cordes (1. Bild, Links) bei der Pressekonferenz für Colossos mit Vertretern vom Heide Park und Werner Stengel vom gleichnamigen Ingenieurbüro (2. Bild).
Weiterführende Links
Wie gut kennst du Colossos? Teste dein Wissen in unserem Quiz!